Architekt Jürgen Grossmann:
„Ich würde alles wieder so machen“
Er ist weder unnahbar, noch abgehoben, sondern ein Vertrauensmensch mit Empathie: Der Kehler Architekt Jürgen Grossmann ist Kopf und Motor der Grossmann Group, die auf sein 1990 im badischen Bühl gegründetes Architekturbüro zurückgeht und er ist trotz aller Erfolge normal und bodenständig geblieben.
Mit 15 Jahren begann Jürgen Grossmann eine Bauzeichner-Lehre. Und genau hier, ein Jahr später, zeigte sich für den jungen Mann, dass sein Lehrherr „unerträglich“ ist. Jürgen Grossmann rechnete damals hoch, wie viele Jahre er im Ausbildungsbetrieb noch bis zur Rente arbeiten müsste und kam zu dem zukunftsträchtigen Entschluss: „Ich komme nur voran, wenn ich mein eigener Chef bin.“ Und genau diese Sichtweise bot die nötige Motivation, am eigenen Glück zu schmieden und das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Nach abgeschlossener Lehre bedeutete das, den zweiten Bildungsweg einzuschlagen, das Abi zu machen und dann in Karlsruhe und Paris Architektur zu studieren. Und während seines Studiums produzierte Jürgen Grossman nicht, wie viele seiner Mitstudenten, für die Schublade, nein, er legte seine Entwürfe seinem Professor vor und realisierte diese dann auch entsprechend.
In den Jahren 1985/86 war das Thema Design-Interieur noch nicht präsent und in aller Munde, erinnert Grossmann. Es gab zwar in Karlsruhe und Freiburg Einrichtungshäuser, aber ihm fehlten zu toll entworfenen Häusern, die dazu passende, auf das Haus abgestimmte, individuelle Einrichtung. Und genau diese Nische begeisterte Grossmann, er tummelte sich auf Möbelmessen in Mailand, entwarf seine erste Couch für eine Schweizer Architekturzeitschrift und kaufte ein darauf abgestimmtes Bild in Budapest. „Das Bild hängt noch immer über der Couch“,sagt er. Durch Messebesuche, Fachliteratur und das richtige Gespür, kam der Bezug zum Thema „Interieur“ und so war es nicht verwunderlich, dass Architekt Jürgen Grossmann 1990 gleich zwei Unternehmen, einmal ein Einrichtungshaus, einmal ein Architekturbüro gründete. „Ich dachte mir – und das gilt auch heute noch – es ist immer besser, alles aus einer Hand zu bekommen.“ Damit meint der Architekt aber auch, dass es bis 1920 überhaupt keine Innenarchitekten gab und er selbst diese beiden faszinierenden Bereiche Architektur und Innenarchitektur zu einem verknüpft. Studiert hatte er Hochbau-Architektur und schon immer war ihm Ästhetik und Haptik wichtig. Und so kam es, dass der Kehler nicht nur Häuser entwarf und baute, sondern diese auch einrichtete.
Projektentwicklung als Tagesgeschäft
Grossmann entwirft in der Regel gemeinsam mit dem Bauherrn, nimmt dessen Wünsche auf und begleitet das Projekt, das dann von seinem Mitarbeiter-Team weitergeführt wird. „Für mich zählen dann noch Richtfest und Einzug“, schmunzelt der Fachmann. Aber es gibt auch absolute Herzensprojekte, wie aktuell das Kloster in Sasbach (Ortenau), hier zieht es Grossmann täglich hin. Dort entsteht gerade ein Kindergarten im ehemaligen Schweinestall und alleine der Charme dieses alten Gebäudes bringen Faszination und Ideen mit sich. 1924 gebaut in wunderschöner Lage, das möchte Jürgen Grossmann erhalten. „Das könnte man heute so nie mehr bauen. Wenn man das heute so bauen wollte, müsste man bis zu 100 Millionen Euro dafür ausgeben, was über die Rendite unmöglich zu erwirtschaften wäre“, erklärt er mir. Diese Immobilie gilt es jetzt, mit neuem Inhalt zu füllen, sonst geht sie nämlich kaputt. Hier wird Grossmann wehmütig, denkt an Beispiele wie den Römerbrunnen in Badenweiler oder die Bühlerhöhe– „lost places“. Ein Nebengebäude des Klosters hatte er bereits vor 13 Jahren gekauft, zuvor stand es sieben Jahre leer und nachdem er das große Kloster kennengelernt habe, war sein Interesse geweckt.
Nominierung vor wenigen Tagen für den Badischen Staatspreis
Ein absolutes Highlight, kurz nach meinem Interviewtermin mit Jürgen Grossmann: Das „Erlenbad Resort“ in Sasbach (Ortenau) wurde für den Staatspreis Baukultur Baden-Württemberg dieser Tage nominiert. Die Jury hat dabei aus 235 Einreichungen rund 10 Prozent, nämlich 27 Anwärter ausgewählt. Die Preisträger werden am 25. Juni 2024 ausgezeichnet. Der Staatspreis, gilt als die höchste Auszeichnung des Landes für beispielhaftes Bauen und Planen. In diesem Jahr steht er unter dem Motto „Um-Baukultur“.
Das „Erlenbad Resort“ ist ein Projekt von Architekt Jürgen Grossmann. Das denkmalgeschützte ehemalige Franziskanerinnenkloster ist in den Jahren 1924 bis 1926 nach einem Entwurf der Architekten Josef Graf (Karlsruhe) und Adolf Graf (Achern) im Auftrag der 1859 gegründeten Kongregation der Franziskanerinnen in Erlenbad entstanden. Jürgen Grossmann freut sich über die prestigeträchtige Nominierung für den Staatspreis. „Es ist wirklich eine tolle Sache“, sagt er. „Einmal, weil deutlich wird, welche Rolle Bauen im Bestand inzwischen spielt. Und dann bin ich persönlich natürlich auch ein bisschen stolz, zu den Nominierten zu gehören.“ Die „Schönheit des Klosters Erlenbad, dessen Ruhe und Ausstrahlung“ faszinieren den Architekten seit zwölf Jahren, wie er sagt. So lange arbeitet er nämlich bereits an diesem Projekt. Zunächst sanierte Grossmann das villenartige historistische Marienheim auf dem Klostergelände. Dieses stand im Jahr 2012 bereits seit sieben Jahren leer und kurz vor dem Abriss. „Wir haben daraus die Villa Erlenbad gemacht und konnten zeigen, was für ein Potenzial in diesem Gebäude verborgen war.“
2022 kaufte Grossmann das eigentliche Kloster, einschließlich Ökonomiegebäude, Klosterpark und Wald. „Damit konnte ich meine Vision umsetzen und das Resort Erlenbad entwickeln. Auf 62.000 Quadratmeter Grundstück und mit 13.000 Quadratmeter Nutzfläche entsteht nun ein deutschlandweit einzigartiger Ort, in welchem Senioren in einem wirklich außergewöhnlichen Umfeld leben.“ Entstanden sind hierbei Wohnungen, Senioren-Residenzen mit 75 Apartments, ein Gesundheitszentrum und ein Restaurant. Die Klosterkirche wurde zum Kulturzentrum. Es handelt sich um eine Mischnutzung, wie es in der entsprechenden Kategorie des Preises beschrieben ist.
„Ohne meine Lehre und diesen „Chef" wäre ich heute nicht hier“
Jürgen Grossmann entwickelt für Kommunen und Unternehmen, meist ist er erster Ansprechpartner bei Problemen und sucht dazu die nötigen Lösungen. Auf sein Team kann er sich verlassen, schon lange wurden die Aufgaben so verteilt. „Ich bin kein Kontrolleur, sondern Vertrauensmensch“ und damit sei er bisher gut gefahren. Seine Zukunftspläne haben sich bereits manifestiert, so möchte der Architekt in 10 Jahren aufhören mit der Arbeit dann sei er so um die 70 Jahre alt. Wenngleich seine Ehefrau Mila durchaus Verständnis für seine Arbeit hat – etwa 80 Prozent der Freizeit wird vom Handy verschluckt – möchte der Architekt seine zwei Kinder aufwachsen sehen und viel Zeit mit ihnen verbringen. „Ich wurde spät Papa und hatte mir dazu auch Auszeiten im Ausland mit der Familie genommen, weil ich hier einfach viel Zeit mit den Kindern verbringen möchte“, erklärt er mir. Die Familie ist ihm wichtig.